Im Herrenberger Ballpark spielen deutsche und amerikanische Kinder gemeinsam Baseball. Foto: Stefanie Schlecht
Baseball gilt als die amerikanische Sportart schlecht hin – auch wenn heutzutage andere Sportarten wie Basketball oder American Football in den USA populärer sind. In Deutschland dagegen ist Baseball eine Randsportart. Längst nicht jeder Landkreis hat einen Baseballverein.
Dass es im Kreis Böblingen mit den Herrenberg Wanderers einen Baseballverein gibt, ist auch den Amerikanern der nahe gelegenen Bases zu verdanken. Zwar gründeten den Verein 1994 Deutsche, es dauerte jedoch nicht lange, bis sich die ersten Amerikaner den Wanderers anschlossen. „Dass bei uns sowohl Deutsche als auch Amerikaner spielen können, hat sich schnell herumgesprochen“, sagt Maite Frey, sportliche Leiterin der Wanderers.
Amerikaner in allen Mannschaften aktiv
Viele amerikanische Eltern melden ihre Kinder bereits in jungen Jahren im Herrenberger Verein an. Rund ein Drittel der vier- bis achtjährigen T-Baller - T-Ball ist eine vereinfachte Form von Baseball, bei dem der Ball von einer Abschlagsvorrichtung geschlagen wird - sind aktuell Amerikaner.
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Maite Frey leitet die sportlichen Geschicke bei den Herrenberg Wanderers. Foto: Stefanie Schlecht
„Derzeit sind bei uns über alle Mannschaften hinweg 18 Amerikaner als Spieler aktiv“, so Frey. Das entspricht fast zehn Prozent aller Spieler. Die Trainerteams sind ebenso gemischt. Im Training wird daher sowohl Deutsch als auch Englisch gesprochen.
Kooperation mit der US-Army
Seit ein paar Jahren arbeiten die Wanderers mit der Kinder- und Jugendhilfe der US-Army zusammen. Als Teil der Kooperation tragen sie Freundschaftsspiele gegeneinander aus. „So halten wir die deutsch-amerikanische Freundschaft aufrecht“, erklärt Frey. Man unterstütze sich jedoch auch ansonsten gegenseitig, wo man nur könne. „Wir nehmen beispielsweise an den Schiedsrichterlehrgängen auf den Bases teil und die Amerikaner dürfen bei unserem Sommercamp mitmachen.“
Einigen Amerikanern gefällt das Camp so sehr, dass sie über den Sommer hinaus bei den Wanderers bleiben. Etwa Max Markham, der 2021 mit seiner Familie nach Deutschland kam und in den Kelley Barracks in Stuttgart-Möhringen lebt. Der Zehnjährige wurde über eine amerikanische Familie, deren Sohn bei den Wanderers spielt, auf das Sommercamp aufmerksam – und schloss sich nach diesem selbst den Wanderers an.
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Max Markham (links) und sein Freund Matthew Melton fühlen sich bei den Wanderers zu Hause. Foto: Abby Markham
In Herrenberg gefällt dem Amerikaner, dass bereits in der Jugend streng nach den Regeln gespielt wird, das heißt, es gibt Strikes und Outs – anders als in den Bases, also in den Kasernen. Zudem imponiert ihm, dass im Training viel Wert auf die Vermittlung der Grundlagen gelegt wird.
Mit der deutschen Sprache hat Max Markham noch so seine Probleme. Die Anweisungen seines Trainers versteht er aber: „Ich weiß, was zu tun ist, wenn der Coach Handschuh ruft“, so Markham. Der Zehnjährige profitiert davon, dass all seine Teamkollegen Englisch können. Dadurch hat er in seiner Mannschaft deutsche Freunde gefunden.
Deutsche Eltern mit Wissensdefiziten
Wie Max Markham spielen viele Amerikaner, die bei den Wanderers aktiv sind, auch in ihrer Kaserne Baseball. Dass sie zu den Wanderers kommen, hat einen einfachen Grund, wie Frey weiß: „Bei uns spielen sie das ganze Jahr Baseball, auf den Bases nur drei Monate.“ Denn dort wechseln die Amerikaner alle drei Monate die Sportart. Im Herbst spielen sie Football, im Winter Basketball und im Frühjahr Baseball. Das hat zur Folge, dass die US-Mannschaften gegen die Wanderers meist unterlegen sind.
Und das, obwohl die Amerikaner einen Startvorteil haben. Denn: „Die amerikanischen Kinder kennen das Spiel schon“, so Maite Frey. Das gelte auch für deren Eltern. „Die deutschen Eltern dagegen fragen anfangs häufig, wie lange ein Spiel geht oder wie man ein Tor erzielt.“ Dabei geht es beim Baseball nicht darum, Tore zu erzielen, sondern Punkte und es gibt auch keine fixe Spieldauer, sondern Spielabschnitte, die zu absolvieren sind.
Amerikaner schätzen familiäre Atmosphäre
Dafür wüssten die deutschen Eltern, was es bedeute, Mitglied eines Vereins zu sein. „Für die deutschen Eltern ist es selbstverständlich, dass man hier und da mithelfen muss, etwa bei der Platzpflege.“ Das sei für die amerikanischen Eltern anfangs neu. Die meisten würden sich jedoch freuen, sich im Verein ihres Kindes engagieren zu können. Denn Frey weiß: „Die Amerikaner schätzen den Familienaspekt des Vereinslebens sehr.“ So auch Abby Maxham. Die Mutter von Max erklärt: „Es ist schön, Teil der Wanderers-Gemeinschaft zu sein.“
Einige Amerikaner bleiben dieser Gemeinschaft auch nach dem Ende ihrer Zeit in Deutschland erhalten, etwa Hal Wilkerson. Der ehemalige Jugendtrainer der Wanderers kehrte nach zwei Jahren in Herrenberg Ende 2000 in die USA zurück. Trotz mehr als 9000 Kilometern Distanz und neun Stunden Zeitunterschied hat er die Wanderers nie aus dem Auge verloren. Noch heute hat er Kontakt zu vielen Personen von damals.
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Hal Wilkerson gewinnt mit den Wanderers 1999 die deutsche Jugendmeisterschaft. Sein Sohn Jeff (obere Reihe, dritter von links) wird zum wertvollsten Spieler des Turniers gewählt. Foto: Hal Wilkerson
Der 71-Jährige erinnert sich gerne an die Zeit in Herrenberg zurück. Besonders zwei Erlebnisse haben sich in seiner Erinnerung eingebrannt: Der Ausflug mit den Wanderers nach Italien zur Herrenberger Partnerstadt Fidenza und der sensationelle Gewinn der Jugendmeisterschaft mit ihm als Trainer und seinem Sohn als Spieler. Darum sagt Wilkerson auch mehr als 20 Jahre später: „Ich betrachte die Wanderers bis heute als Teil meiner Familie. In meinem Herzen bin ich immer noch Herrenberger.“
In den kommenden Jahren will er Herrenberg und den Wanderers erneut einen Besuch abstatten. Das hat auch Max Markham vor. Denn er und seine Familie wohnen nur noch ein Jahr in Stuttgart. Wohin es für die Markhams danach geht, wissen sie noch nicht. Sicher ist für Max Markham jedoch: „Ich werde nach Deutschland zurückkommen und die Wanderers besuchen.“
US-Sport im Kreis Böblingen
Basketball
Im Kreis Böblingen gibt es einige Vereine, die eine eigene Basketball-Abteilung haben. Etwa die SV Böblingen, der VfL Sindelfingen oder der SV Leonberg/Eltingen. Von allen Teams spielen die Böblinger Panthers in der höchsten Liga. Die Mannschaft der SV Böblingen geht in der Oberliga auf Körbejagd.
American Football
Die Sportart mit dem eiförmigen Ball hat in den vergangenen zehn Jahren stark an Popularität in Deutschland gewonnen. Derzeit gibt es im Kreis Böblingen vier Football-Teams: die Holzgerlingen Twister, die Leonberg Alligators, die Bondorf Bulls und die Herrenberg Raptors.
Weitere Sportarten
Streng genommen gibt es im Kreis Böblingen noch ein zweites Baseball-Team, nämlich die Sindelfingen Squirrels. Diese nehmen jedoch aktuell nicht am Ligabetrieb teil. Einen Eishockeyverein gibt es im Kreis nicht. Mit der SV Böblingen hat ein Verein zudem eine eigene Cheerleader-Abteilung.
Credits: Stuttgarter Zeitung und Kreiszeitung Böblinger Boote, geschrieben von Philip Kearney, erschienen am 25.07.2023